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September 2006

menschen

21.09.2006



Armin Rohde

Der Kumpel

Für schräge Rollen ist er bekannt. Nun spielt Armin Rohde einen verzweifelten Familienvater, dem nach Jahrzehnten Betriebszugehörigkeit gekündigt wird. Die Folgen der Arbeitslosigkeit hat der Fernsehstar aus dem Ruhrgebiet täglich vor Augen – in der Realität.

von Claudia Pless

Armin Rohde
geboren 1955 in Gladbeck. Schulabbrecher, Schauspieler. Mit der Paraderolle als prolliges "Bierchen" in Kleine Haie gelingt ihm 1991 der Durchbruch. Weitere Kultauftritte folgen: als schwuler Metzger in Der bewegte Mann (1994), als leibhaftiger Teufel in 666 (2001) oder als tollpatschiger Kinderschreck mit Kinopräsenz in Räuber Hotzenplotz (März 2006).
Armin Rohde ist verheiratet und lebt in Bochum.

Carlo Lehmann führt ein Leben wie in einer Fernsehsoap. Seinen beiden Kindern kann er alles bieten, seine schöne Frau mit Luxus verwöhnen, sein schickes Haus liegt im besten Viertel der Stadt und seine angesehene Firma, für die Carlo schon seit Jahrzehnten arbeitet, schätzt ihn als erfahrene Kraft. Eine satte Beförderung ist schon in Sichtweite, der nächste Karrieresprung winkt...

Doch dann kommt der Cut: Carlo bekommt plötzlich einen neuen Chef, und der findet den lang bewährten Mitarbeiter zu alt und zu teuer. Der Überflieger mit Traumhaus, Traumfrau und Traumkarriere findet sich Knall auf Fall im wirklichen Leben wieder und fragt sich: Wie soll es weitergehen? Wie soll er in seinem Alter eine neue Stelle finden und wie seine Familie ernähren? Von Scham erfüllt, behält er die Wahrheit lieber für sich und nimmt gleich mehrere Jobs an, um den Schein zu wahren. Das Geld wird immer knapper, die Situation immer verfahrener, die Aussichten immer hoffnungsloser...

Die fiktive Filmfigur des verzweifelten Carlo scheint Armin Rohde auf den properen Leib geschrieben zu sein. Mit viel Feingefühl verkörpert der 51-jährige Schauspieler den verzweifelten Familienvater, der von einem Tag auf den anderen seinen Job verliert. Der Fernsehfilm Vater undercover - im Auftrag der Familie wird Mitte Oktober von Sat.1 ausgestrahlt.

"Das Thema Arbeitslosigkeit liegt mir sehr am Herzen", sagt Armin Rohde. "Ich lebe ja im Ruhrgebiet und kriege täglich mit, was diese Hartz IV-Gesetzgebung und ihre stümperhafte Umsetzung bei den Menschen anrichtet. Wie sehr sie die Leute einschüchtert, kränkt und demotiviert. Wie ihnen jeglicher Spielraum genommen wird. Was da passiert, ist staatlich angeordnete Armut. Das macht mich unheimlich wütend." Der sonst eher gemächliche Schauspieler schnappt nach Luft: "Da könnte ich mich aufregen ohne Ende. Ich bin zwar kein Missionar sondern ein Entertainer, der neunzig Minuten lang gute Unterhaltung liefern will. Aber wenn ich damit gleichzeitig eine Botschaft transportieren kann, ist das natürlich gut. Außerdem habe ich eine große Zuneigung zu Menschen und besondere Sympathie für Leute, die die Arschkarte gezogen haben."

Für das Glück, dass er selber gerade mit reichlich Arbeit eingedeckt ist und demnächst in gleich fünf großen TV-Filmen zu sehen sein wird, empfindet der Sohn eines Bergmanns und einer Fabrikarbeiterin "tiefe Dankbarkeit". "Ich weiß, dass ich in einer privilegierten Situation bin", sagt er und beeilt sich mit Bescheidenheit zu bemerken: "Allerdings weiß man bei einer Schauspieler-Existenz nie, wie lange dieser Zustand anhält..."

Dass der Grimme-Preisträger mit dem "Gesicht eines polnischen Gebrauchtwagenhändlers" (Rohde über Rohde) heute in der ersten deutschen Schauspiel-Liga mitmischt, von Filmemachern wie Helmut Dietl und Sönke Wortmann regelmäßig besetzt wird und inzwischen auch mal eine Rolle ablehnen kann, hat er sich hart erarbeitet. Als er kurz vor dem Abitur die Schule abbrach, sah es zunächst nicht nach Karriere aus. Aber er erspielte sich einen Platz an der renommierten Folkwang-Schule in Essen. In Stücken wie Schillers Don Carlos, Shakespeares Troilus und Cressida, Brechts Dreigroschenoper und Becketts Warten auf Godot begeisterte er Kritiker und Theaterpublikum gleichermaßen. Doch weil "Arbeitszeit Lebenszeit ist" und er sich in dem "ganzen Theaterbetrieb mit seiner hierarchischen Struktur" nach zwölf Jahren "Bühnenmaloche" zunehmend "entmündigt" fühlte, zog es den bodenständigen Künstler nach seinem Fernsehdebüt in Klaus Emmerichs Rote Erde vor die Filmkameras.

Vor allem dank seines ruppigen Charmes und seines liebenswerten Humors zählt Rohde heute zu den bekanntesten Stars des deutschen Films. Und spätestens seit seinem uneitlen Auftritt als Sumo-Ringer in Wetten, dass…? hat sich der langjährige Judoka in die Herzen eines Millionenpublikums gekämpft. Er weiß: "Als Schauspieler darf man keine Angst vor Peinlichkeiten haben, sonst kann man den Beruf gleich an den Nagel hängen." Das hat er auch bei seiner Clownausbildung an der Pariser LeCoq-Schule gelernt. "Clown zu sein heißt, vollkommen offen auf das zuzugehen, was auf dich zukommt. Als Clown musst du dich hemmungslos dem Fiasko stellen und das Beste daraus machen."

Auch wenn er sich bei glamourösen Premierenfeiern noch immer "wie ein Exot" fühlt, am liebsten seine Film-Anzüge trägt, weil er dann nicht shoppen gehen muss, und für die Fotografen "die gutmütige Wildsau" gibt, kann sich der angeheiratete Baron auch auf dem roten Teppich stilsicher bewegen. "Dieser Zirkus gehört nun mal zum Geschäft dazu", sagt Rohde. Trotzdem geht er privat lieber angeln oder kocht mit seiner Frau, der Künstlerin Angela von Schilling, und Freunden. "Meine Rühreier mit Speck sind legendär!"

Das sympathische Raubein und der nette Kumpel von nebenan seien nur zwei seiner vielen Seiten, sagt Armin Rohde. "So kann ich sein, bin es aber weiß Gott nicht durchgängig. Manchmal bin ich sogar äußerst empfindlich."

Empfindlich zeigt sich Rohde bei der Arbeit für seine Lieblingszuschauer, die Kinder: "Ein Kind lässt sich kein X für ein U vormachen, es reagiert so wie ihm zumute ist", schwärmt er. Deshalb und weil er selbst noch ein "ziemlicher Kindskopf" sei - frühester Berufswunsch "Batman, Tarzan oder Herkules" -, engagiert sich Armin Rohde ehrenamtlich als UNICEF-Botschafter. "Es ist doch herrlich, wenn man allein mit seinem Namen etwas tun kann, damit Kindern in Not geholfen wird."

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